Die Corona-Pandemie hinterlässt einen aufgewühlten Veranstaltungsmarkt. Die anfängliche Euphorie weicht einer allgegenwärtigen Ratlosigkeit: Obwohl im laufenden Jahr sogar noch mehr Tickets verkauft wurden als im Rekordjahr 2019, bleiben viele Shows und Vorstellungen auf den Eintrittskarten sitzen. Vor allem mittlere und kleine Veranstaltende kämpfen darum, das Publikum zurückzuholen. Doch ist das Kernproblem ist ein anderes. Und seine Lösung erfordert einen großen Schritt in Richtung Digitalisierung und die Offenheit für neue Wege.
Der Markt ist schlichtweg übersättigt mit verfügbaren Angeboten. Der Grundsatz „Nachfrage bestimmt das Angebot“ funktioniert aktuell nicht mehr. Nach der Pandemie haben sich die Verhältnisse geändert. Die vorherrschende Annahme lautete zunächst, dass das Publikum nur zögerlich zurückkäme. Doch das ist überhaupt nicht der Fall. Die Menschen brennen geradezu darauf, auszugehen und etwas zu erleben. Das Problem ist nicht (nur) die veränderte Nachfrage. Wie konnte das geschehen – fragt Hannes Tronsberg von future demand in einem Gastbeitrag für den BlachReport.
Zunächst einmal konnten während der Pandemie viele Shows nicht stattfinden oder mussten verschoben werden. Nun findet alles gleichzeitig statt – zusätzlich zu den ohnehin für 2022 geplanten Veranstaltung, die oft auch längst im Voraus vertraglich besiegelt worden sind. Neben klassischen Events wie Festivals, Konzerten, Aufführungen oder Sportveranstaltungen konkurrieren Veranstaltende auch mit allen anderen verpassten Freizeitaktivitäten um die Freizeit der Menschen. Booker planen Shows hauptsächlich nach der Bekanntheit der Künstler und der Verfügbarkeit der Venues. Eine untergeordnete Rolle spielen die tatsächlichen Interessen der potentiellen Besucher im Kontext des Wettbewerbs. Doch genau hier liegt ein immenses Potential.
Einen neuen Weg verspricht die Auseinandersetzung mit den Interessen der Besucher von Veranstaltungen und die gezielte Vermarktung von Tickets an diese. Der Ansatz auf Basis von Interessen in der Eventbranche ist eine Innovation – jedoch haben die meisten von uns auf indirektem Wege schon einmal mit ihm zu tun gehabt: Viele wundern sich, wie extrem gut die vorgeschlagenen Songs, Serien oder Produkte auf Plattformen wie Spotify, Netflix oder Amazon zu den Nutzern passen. Auch hinter diesen Ansätzen verbirgt sich ein Targeting – also das Ausspielen spezifischer Inhalte für ganz bestimmte Zielgruppen –, welches auf Interessen basiert. Im Klartext heißt das: Statt Produktvorschläge anhand persönlicher Merkmale wie Alter, Geschlecht oder monatlichem Nettoeinkommen auszurichten, werden individuelle Interessen berücksichtigt. Das Resultat: Genaueres, einfacheres und vor allem effizienteres Marketing. Aber wie funktioniert das?
Der Ansatz basiert auf Big Data: Die Kombination riesiger Datenmengen aus verschiedenen Datenquellen schafft eine sehr genaue Beschreibung eines Kulturangebots. Dabei spielen nicht nur offensichtliche Merkmale eine Rolle, sondern auch die gesamte Umgebung einer Veranstaltung. Woher kommt der Künstler, die Künstlerin? Ist es ein Newcomer oder ein alter Hase im Business? Hat die Venue Sitz- oder nur Stehplätze? Und sind nach der Show, im unmittelbaren Umkreis, eigentlich noch Bars geöffnet? All‘ das kann unterschwellig unsere Präferenz und die Entscheidung für den Besuch einer Veranstaltung bestimmen. Für das Marketing sind solche Einblicke in die Vorlieben und Beweggründe der Ticketkäufer Gold wert: Botschaften, Werbeplattformen, Kampagnenplanung werden deutlich vereinfacht. Marketer benötigen viel weniger personenbezogene Daten. Besucher profitieren von besseren Erlebnissen. Doch das ist nicht alles.
Der Big-Data-Ansatz schafft zudem die Möglichkeit, die Auslastung zukünftiger Events zu prognostizieren. Auf Basis von Daten vergangener Veranstaltungen kann ein mathematisches Modell erstellt werden, welches dann berechnet, wie viele Tickets voraussichtlich verkauft werden. So können Shows Jahre im Voraus geplant und in Kombination mit dem Interessen-basierten Marketing leichter ausverkauft werden. Das alles ist nicht nur längst möglich, sondern auch deutlich niedrigschwelliger zu haben, als man glauben mag. Allerdings bedarf es vorher eines Umdenkens seitens der Veranstaltenden, die Events in der „realen Welt“ und digitales Erleben zusammenbringen müssen. Mit der richtigen Strategie, modernen Tools und einem Fokus auf Teilnehmende können die Puzzleteile aus Events, Veranstaltungsorten und Besuchern sinnvoll zusammengesetzt werden.