Die gravierenden Veränderungen aufgrund der Corona-Pandemie und des dadurch ausgelösten Digitalisierungsschubs 2020 beeinflussen die Zukunft des B2B-Marketings nachhaltig. Im aktuellen bvik-Trendpaper 2021 „Change – Technology – Identity: Fünf Thesen zur Zukunft des B2B-Marketings“ erklären Marketing-Experten aus Wissenschaft und Praxis, warum Unternehmen die Krise als Chance sehen und diese nutzen müssen.
Durch den digitalen Ruck im vergangenen Jahr haben sich die Spielregeln am Markt komplett geändert und sind nun weitgehend digitaldominiert. Unternehmen setzen auf Online-Maßnahmen, um mit ihren Kunden in Kontakt zu treten und neue Leads zu generieren. Laut der bvik-Studie „Digitalisierungsschub 2020 im B2B-Marketing“, an der fast 450 Marketer aus Industrie, Agentur- und Messelandschaft teilgenommen haben, werden 78 Prozent der Befragten vermehrt auf Online-Leadgenerierung setzen. Darüber hinaus werden virtuelle (Kunden-)Events zukünftig klassische Live-Messen ergänzen. Angesichts sinkender Budgets ist es unerlässlich, intern die benötigten Kompetenzen hierfür aufzubauen, denn das Krisenjahr 2020 hat gezeigt, Unternehmen die Kompetenzen für Online-Marketing schon im inhouse hatten, konnten flexibel auf die veränderten Anforderungen reagieren. Sie verfügen damit über die auch in Zukunft so wichtige digitale Resilienz. „Wir Marketer sollten die Corona-Krise als Chance verstehen, um uns neu aufzustellen, um Prozesse zu vereinfachen, zu digitalisieren und zu automatisieren. Marketing Automation bietet gezielte Unterstützung im Verkaufsprozess: Über digitale Kanäle lassen sich generierte Kontakte bis zum Kaufabschluss weiterentwickeln“, erklärt Dr. Andreas Bauer, bvik-Vorstand mit langjähriger Erfahrung als VP Marketing bei verschiedenen Industrieunternehmen.
Um zukünftig erfolgreich zu sein, wird es für Unternehmen darauf ankommen, Wünsche und Kaufverhalten der Kunden noch genauer zu kennen und diese vorherzusehen, um Produkte, Dienstleistungen oder Marketing-Maßnahmen entsprechend anzupassen. Hierfür ist nicht nur der Einsatz von Analyse- und Prognose-Tools unerlässlich. Es gilt, aus Big Data, Smart Data zu machen und die gesammelten Daten schnell und zielgerichtet im gesamten Unternehmen – über alle Abteilungen hinweg – zu nutzen. Für Marketing-Experte Dr. Uwe Seebacher bietet der Einsatz von Predictive Intelligence (PI) einen großen Mehrwert: „Mit PI lassen sich intern gesammelte Daten wie Kundenprofile mit externen Daten verknüpfen, analysieren und Wahrscheinlichkeiten für zukünftige Ereignisse berechnen.“ Seiner Meinung nach eignet sich die Marketing-Abteilung hervorragend, um als Treiber für PI zu fungieren. „Im Marketing wird strukturiert und methodisch gearbeitet, es liegen viele CRM-Daten vor, die für die Customer Experience genutzt werden. Diese ließen sich leicht um externe Daten ergänzen und so zu wertvollen Informationen für die Unternehmensplanung transformieren.“
Im Zuge individualisierter Kundenkommunikation gewinnt Account Based Marketing (ABM) an Bedeutung. Dabei wird jeder Key Account – also jeder potenzielle Kunde, jedes Unternehmen – mit einer eigenen Kampagne bedacht, die individuell auf die jeweiligen Bedürfnisse zugeschnitten ist. Die Vorteile von ABM: Je mehr das Unternehmen über einen Account weiß, desto besser können die Inhalte der Kampagne auf dessen Interessen zugeschnitten werden. Dieser Ansatz eignet sich laut Marc Hibschenberger, Head of Industry Marketing Germany bei SAP Deutschland, für alle Unternehmen – auch für KMU – und steigert darüber hinaus die Kundenzufriedenheit. „Sowohl der ROMI als auch die Weiterempfehlungsraten sind bei ABM-Maßnahmen höher als bei klassischen Maßnahmen. Wichtig für den Einsatz ist, dass man eine individuelle Strategie entwickelt mit eindeutigen Kriterien, für welche Kunden ABM infrage kommt. Unternehmen sollten dabei lieber klein anfangen und ihre Aktivitäten schrittweise erweitern“, erklärt der Experte.
Künstliche Intelligenz (KI) hat den B2C-Bereich bereits nachhaltig verändert. Sprachassistenten wie Alexa oder Chatbots sind alltäglich. Nach Meinung vieler Experten hat KI auch das Potenzial, das B2B-Marketing in den kommenden Jahren gewinnbringend zu beeinflussen, da sie die Möglichkeit einer individuellen Ansprache in Kommunikation bieten und dadurch Produkte und Services perfektionieren und skalieren lassen. Ein großer Kritikpunkt ist hierbei jedoch, dass im B2B-Bereich aktuell häufig KI-Standardlösungen – etwa bei Chatbots – zum Einsatz kommen, die die Markenidentität und die Unternehmenspersönlichkeit außer Acht lassen. Ein persönlicher Touch sowie eine markenspezifische Gestaltung bei KI-Lösungen sind heutzutage noch die Ausnahme wie Professor Dr. Carsten Baumgarth, Experte für Markenführung an der HWR Berlin, der großes Potenzial humanoider Roboter sieht, deutlich macht: „Von Robotern erstellte Texte müssen nicht nur sachlich richtig sein, sondern auch die Persönlichkeit des Unternehmens widerspiegeln, indem Wortwahl oder Tonalität zur Marke passen. Bei Sprachassistenten oder humanoiden Robotern sind es Stimme, Aussehen oder Gesten, die eine starke Wirkung auf die Marke haben. Bisher spielen diese Fragen allerdings kaum eine Rolle, die Entwicklung ist vor allem technologisch getrieben.“
Sicherheit und Vertrauen spielen seit jeher eine wichtige Rolle für B2B-Käufer, da die Investitionen häufig sehr groß sind. B2B-Unternehemen müssen daher, eine starke, vertrauensbildende Markenidentität aufbauen und diese über emotionales Storytelling überzeugend transportieren. Brand Purpose wird zum Erfolgsfaktor der Zukunft. Dabei ist die Balance zwischen Emotionalität und Fakten sowie rationalen Argumenten erfolgsentscheidend, wie der renommierte Kampagnen- und Strategieberater Julius van de Laar erklärt: „Die Voraussetzung für eine nachhaltig erfolgreiche Kampagne ist eine Story mit einer starken Botschaft. Dabei ist es wichtig, die Botschaften emotional aufzuladen. Denn Emotionen bewegen Menschen viel stärker als Zahlen, Daten und Fakten und beeinflussen Entscheidungen.“ Eine wichtige Voraussetzung dafür, dass sich Kunden mit einem Unternehmen oder einer Marke verbunden fühlen und identifizieren, ist laut van de Laar zudem eine klare Positionierung: „Es gilt, die eigenen Werte zu definieren und die Markenidentität zu schärfen, um sich klar von Wettbewerbern abgrenzen. Im Endeffekt geht es darum, zu zeigen, wofür man als Unternehmen steht, aber auch klar zu machen, wofür nicht.“
Info: www.bvik.org