Ron Schneider von der Agentur Schachzug erläuterte im Gespräch mit dem BlachReport den Unterschied zwischen Event- und Experience-Marketing und verweist darauf, was wirklich zählt.
BlachReport: Event-Strategien sind kontinuierlich im Wandel. Welche Veränderungen können Sie aktuell feststellen?
Ron Schneider: Bei Markenunternehmen geht der Trend hin zu unternehmensweiten Veranstaltungsstrategien. Die so konsolidierten Budgets und die daraus entstehenden Synergien sind ein zunehmender Trend, der dazu beiträgt, die aktuellen Marktspannungen zu parieren. Die Pandemie in Verbindung mit den globalen Erschütterungen durch den Klimawandel, die gesellschaftlichen und politischen Irritationen in vielen Teilen der Welt, der Krieg in der Ukraine und die Energiekrise fordern gerade jetzt Fokus und Zusammenhalt. Ebenfalls zu beobachten sind Shiftings bei Eventbudgets, angetrieben durch Investitionen in Medien und Medientechnik, anspruchsvollere Produktionen – auch im Digitalbereich –, sowie notwendige Maßnahmen für Gesundheit und Sicherheit.
Nun aber zum Haupttreiber von Event-Strategien: Sie resultieren größtenteils aus dem Verstehen und Anpassen an sich ändernde Kunden-, Interessenten- und Publikumsbedürfnisse. Produkteinführungen, Konferenzformate und Partnerprogramme gewinnen stark an Relevanz in der Markenkommunikation, wenn sie innovativ und integriert sind. Anders gesagt: Event war im Marketing-Mix oft der Nebendarsteller – nun werden Experience Marketing und -Communication die neuen Hauptdarsteller im Marketing-Blockbuster von morgen.
BlachReport: Welche Event-Strategie-Insights liegen Ihnen dazu vor und welche Ableitungen lassen sich daraus ziehen?
Ron Schneider: Kommunikationsleitungen und CMOs werden aktuell sehr aktiv und engagieren sich in der strategischen Planung von Veranstaltungen. Auch darin zeigt sich die steigende Priorität von Experience Marketing. Und die entstehenden Strategien sind im hohem Maße kollaborativ. Die Folgen sind eine stärkere Abstimmung zwischen den verschiedenen Abteilungen und das Verabschieden von übergreifenden, messbaren Zielen. Und das ist auch gut so. Unterschiedliche Eventanlässe wie Awareness, Image, Motivation und Umsatzsteigerung müssen nun in intelligenten Formaten zusammenfinden. Und dafür ist ein ‚collaborative mindset‘ essenziell, welches gezielt und konsequent ein höheres, gemeinsames und messbares Ziel verfolgt. Womit wir bei dem Big Point dieser Tage wären: Der Erfolg von Experience Marketing muss glasklar messbar sein, um die Wirkung der Maßnahme zu belegen, das investierte Budget zu rechtfertigen und – last but not least – einen abteilungs- und gewerkeübergreifenden motivierenden Erfolg feiern zu können.
BlachReport: Was konkret differenziert Event- von Experience-Marketing beziehungsweise -Kommunikation?
Ron Schneider: Naja, Experiences sind ja nicht auf Events beschränkt. Allein die Verlängerung von Events ins Digitale hat Live-Kommunikation evolutioniert. Und wenn wir schon beim Wort ‚live‘ sind – Experiences sind nicht auf einen Zeitraum oder gar auf einen Zeitpunkt beschränkt. Dies zur Nomenklatur. Aber es geht um viel mehr. In unserem Verständnis werden Experiences die ultimative Quelle für exklusiven Content sein.
BlachReport: Was muss eine erfolgreiche Strategie im Experience-Marketing berücksichtigen?
Ron Schneider: Im Wesentlichen sind das drei Punkte. Grundlegend gilt zukünftig: ‚make content, not ads‘, ‚building not buying‘ wird zu einer neuen Leitplanke und ‚use the power of earned media‘ rückt weiter ins Zentrum. Eine Konsequenz ist, dass Marke und Produkt einen Schritt zurücktreten müssen, um Raum zu schaffen für Cultural Context. Die nächste Ära des Marketings dreht sich um Cultural Impact. Damit lässt sich der Kunde abholen, der nicht mehr allein über Produkteigenschaften seine Entscheidungen trifft, sondern ebenso über seine Beziehung zu Marke und Unternehmen.
BlachReport: Wie kann das durch die Schaffung von Erlebnissen erreicht werden?
Ron Schneider: Organische Social-Media-Reichweite wird zum ‚must have‘ und basiert auf persönlichen, unverwechselbaren und erinnerungswürdigen Erfahrungen, die sich mit Geld nicht kaufen lassen. Beides findet untrennbar zusammen. Der Event beziehungsweise die Experience wird dabei zum zentralen Ort, an dem Erfahrungen, Erlebnisse und exklusiver Content entstehen und verbreitet werden, angetrieben durch die Kraft bekannter Marken. Die Produktion von Inhalten und Erlebnissen wird wichtiger als Anzeigen und die Schaffung von Experiences wichtiger als Events.
BlachReport: Was gehört dafür in ein ‚Musterbuch‘ für Experience-Marketing? Was ist unverzichtbar?
Ron Schneider: Das Musterbuch hätte ich auch gern. Was man von mir in der Kreation oder bei der Beratung oft hört, sind Impulse wie ‚create experiences beyond events‘ und ‚make them catchy and memorable‘. Operativ sind es dann schon konkrete Regeln wie beispielsweise ‚communities first‘ beziehungsweise ‚denke in Zielgruppen‘‚ ‚be on spot‘, also ‚sei dort, wo Experience passiert und beweg dich auf die Zielgruppe zu‘, ‚make it pretty‘ im Sinne von ‚mach jeden Moment und jede Ecke zu einer Foto-Gelegenheit‘, ‚love mobile‘ als Vorgabe für die Nutzung leichter Architektur, um einfach, schnell und nachhaltig präsent zu sein, ‚be accessible‘ – sei einladend und zugänglich, physisch und digital – und je nach Markt, Kunde und Konzept einiges mehr. Aber wenn wir schon bei Digital sind, vielleicht noch eine Grundhaltung. Mit der digitalen Verlängerung von Events ist es nicht getan. In Zukunft heißt es erstmal, die digitale Experience und die Inhalte gut hinzubekommen und sich dabei zu fragen, was dafür die Physis leisten kann. Also weg vom Digital Amplifier und hin zum Digital Enabler. Wenn das klappt, bin ich mir ganz sicher, dass Experience-Marketing und -Communication wichtiger und stärker werden denn je.
BlachReport: Vielen Dank. Haben wir noch etwas vergessen?
Ron Schneider: Der wahre Kreativbeitrag dieses Interviews liegt darin, bis hierher nicht einmal das Wort Metaverse benutzt zu haben . . .
BlachReport: Vielen Dank für die Beantwortung unserer Fragen.