Julia Kossmann ist Operations Director bei der Agentur Proske, fest angestellt und „Digitalnomadin“. Sie hat sich gegen den klassischen Bürojob entschieden und arbeitet dort, wo es ihr gefällt. Warum sie das macht, wie es funktioniert und was den Unterschied zwischen Präsenz- und Remote-Arbeiten ausmacht, hat sie uns erzählt.
BlachReport: Wo erreichen wir Dich gerade beziehungsweise von wo aus arbeitest Du gerade?
Julia Kossmann: Bali, Indonesien . . .
BlachReport: Wie geht Remote-Zusammenarbeit bei Proske und was sagen die Kollegen dazu?
Julia Kossmann: Da die meisten Kollegen ebenfalls von ‚zu Hause‘ arbeiten, habe ich nicht das Gefühl, dass ich in irgendeiner Form benachteiligt wäre oder wir hier besondere Anpassungen machen müssen. Das war natürlich nicht immer so, aber mittlerweile ist das Remote-Arbeiten bei Proske Alltag und die Firmenkultur hat sich gut auf das neue ‚Normal‘ eingestellt. Das man in einer virtuellen Welt mehr Pro-Aktivität zeigen muss als im Büro, ist dabei klar und wird auch so gelebt. Während man im Büro automatisch mal den Kollegen in der Küche auf einen Kaffee trifft oder beim Nebenan-Sitzen eher mal Unmut oder Stimmungsdämpfer mitbekommt, muss man in der virtuellen Welt einmal mehr zum Hörer greifen und aktiv in den Austausch gehen. Hierzu nutzen wir verschiedene Tools, um sowohl auf professionelle, als auch persönlicher Ebene gut vernetzt zu bleiben. Auch wenn wir uns nicht oft sehen, funktioniert der Austausch im Team gut und die Kollegen sind alle in engem Austausch.
BlachReport: Ist diese Art von New Work ‚normal‘ bei Proske?
Julia Kossmann: Wie bereits erwähnt, empfinde ich diese Art zu arbeiten bei uns als durchaus ‚normal‘. Auch wenn ich nach wie vor ein Ausreißer bin und vielleicht nicht jeder ganz so weit weg von zu Hause ist, so macht es am Ende des Tages wenig Unterschied, ob der Laptop in Belgien oder Bali steht. Da unsere Projekte und Kunden ebenfalls international auf der Welt verstreut sind, ist das Arbeiten über mehrere Zeitzonen keine Neuheit für uns.
BlachReport: Welche Erfahrung hat Proske mit New Work gemacht?
Julia Kossmann: Wir haben bei Proske ja bereits vor der Pandemie begonnen, remote zu arbeiten. 2018 zum Beispiel habe ich von Costa Rica aus gearbeitet – das war damals natürlich noch nicht ganz so leicht zu verkaufen wie heute. Ich bin aber super froh, dass Proske als Arbeitgeber immer offen gegenüber neuen Ideen und Wegen ist, und so wie wir uns auch in unserer Branche als Pionier stetig weiterentwickeln, so leben wir es auch intern. Sicherlich gibt es auch Menschen, die den persönlichen Kontakt vor Ort im Büro bevorzugen, und vielleicht im Büro auch bessere Möglichkeiten für sich sehen produktiv zu arbeiten – ich denke hier muss jeder für sich selbst entscheiden, was am besten für einen funktioniert. Ich persönlich bin dann am produktivsten, wenn ich mich von meiner Umgebung inspirieren lassen kann. Ich arbeite besonders gerne in extravaganten Cafés, Beach Clubs oder am Strand mit anderen Remote Workers. Die vielen verschiedenen Eindrücke, die Natur und die beschäftigte Atmosphäre um mich herum motivieren mich. In meinen Pausen trinke ich Kaffee mit Freunden und deren Freunden und wir tauschen uns über unsere komplett unterschiedlichen Branchen aus, lernen viel neues und inspirieren uns gegenseitig. Die Natur um mich rum zu spüren gibt mir positive Stimmung und Durchhaltevermögen und ich fühle mich nicht in einem Job oder einem Büro ‚eingesperrt‘. Wir verbringen zu viel Zeit unseres Tages bei der Arbeit, um diese nicht in einem schönen Umfeld zu absolvieren.
BlachReport: Wie beurteilst Du den Unterschied zwischen Präsenz- und Remote-Arbeiten?
Julia Kossmann: Wenn beide Seiten kompromissbereit sind und das Vertrauen stimmt, können beide Seiten Vorteile dadurch haben. Wir hatten in der Vergangenheit auch Situationen, in denen es von großem Vorteil war, dass ich ortsunabhängig arbeite. Zum Beispiel hatten wir ein Projekt in Chile, bei dem es mit der Koordination mit lokalen Gewerken nicht einfach war – so konnte ich einige Wochen vor dem Projekt bereits vor Ort sein und mit allen Parteien direkt koordinieren. Zusätzlich hatte ich zu diesem Zeitpunkt auch viele US-Kunden, was die Kommunikation zwischen den Zeitzonen ebenfalls vereinfacht hat. Ich denke, der größte Unterschied in der Arbeitsweise ist, dass man deutlich pro-aktiver sein muss. Man bemerkt Probleme bei Kollegen nicht automatisch, und man muss zum Hörer greifen, wenn man Fragen hat, statt einfach über den Schreibtisch rufen zu können. Auch der persönliche Austausch bleibt eher auf der Strecke, wenn man sich nicht aktiv dafür einsetzt. Wir haben bei uns viele gute Instrumente und Wege gefunden, um sicherzustellen, dass wir trotz der geographischen Distanz gut in Kontakt bleiben – zum Beispiel nutzen wir hierfür verstärkt asymmetrische Kommunikation und regelmäßige, virtuelle Coffee Dates.
BlachReport: Was sind die Vorteile für dich beziehungsweise warum magst Du diese Art zu arbeiten?
Julia Kossmann: Flexibilität ist für mich das Zauberwort. Und damit meine ich nicht nur arbeiten zu können, von wo ich möchte, sondern, dass wir die verschiedensten Arbeitsmodelle in unserer Firma verwirklichen und unterstützen. Wir sind alle sehr unterschiedlich gestrickt. Daher ist es einleuchtend, dass ein Arbeitsmodell, dass für alle Menschen gleich passen soll, nicht realistisch ist. So können wir aus unseren Kollegen und uns selbst das Beste herausholen; egal, ob jemand Frühaufsteher ist, Langschläfer, oder vielleicht gerne mittags ins Gym geht, und ebenso egal, ob der eine lieber vom Büro und der nächste eben vom Strand aus arbeitet. Ich denke, der Idealfall ist doch, dass wir jedem Mitarbeiter ein Umfeld schaffen können, in dem er oder sie persönlich am produktivsten und effizientesten sein kann.
BlachReport: Funktioniert das überall auf der Welt und wie bist Du technisch darauf vorbereitet?
Julia Kossmann: Tatsächlich ist es ironischerweise so, dass die Internetverbindung außerhalb von Deutschland meistens besser ist als innerhalb Deutschlands. Viele Länder sind hier deutlich besser aufgestellt, Glasfaser-Leitungen sind an vielen Orten verfügbar, und das mobile Netz ist ebenfalls stabiler mit weniger Funklöchern. Ich selbst bin sehr genügsam, ich habe viele Freunde, die mehr ‚Set-up‘ haben und mit zusätzlichen Bildschirmen, externen Keyboards und mehr reisen. Da der Großteil meiner Arbeit Meetings und Emails beinhaltet, komme ich mit meinem Laptop-Bildschirm super klar. Wichtig sind natürlich eine internationale SIM-Karte und ein lokales Back-up, sollte das WLAN doch mal Probleme bereiten, und ein internationaler Adapter. Ansonsten gab es tatsächlich bisher noch keinen Ort, von dem ich nicht arbeiten konnte, solange es Internet gibt und es einigermaßen ruhig ist, um sich konzentrieren zu können.
BlachReport: Wo hast Du bisher überall gearbeitet? Was war Dein liebster Ort, von dem Du gearbeitet hast?
Julia Kossmann: Puh, das ist tatsächlich eine lange Liste. Mittlerweile bereist habe ich 91 Länder, und gearbeitet habe ich von sicher der Hälfte in den unterschiedlichsten Lebenslagen: auf einem Hausboot im Amazonas, vom Vulkan in Guatemala oder unbewohnten Inseln in der Südsee und zwischen Zebras in Kenia. All‘ diese Eindrücke wären mir nicht möglich gewesen, wenn ich nicht remote arbeiten könnte, und für diese Chance werde ich für immer dankbar sein – besonders in einer Zeit, in der das ‚Home-Office‘ noch nicht so selbstverständlich war. Wo es mir am besten gefallen hat, kann ich gar nicht so genau sagen, das wäre wie Äpfel mit Birnen vergleichen. Ich liebe es, verschiedene Kulturen kennenzulernen – nicht als Besucher mit oberflächlichen Eindrücken, sondern für eine Weile Teil eines Landes sein zu dürfen, dort zu leben wie die Locals und wirklich einzutauchen, was es bedeutet, in diesem Land zu leben, und das mit allen Vor- und Nachteilen, die man sich vielleicht so vorstellt. Ich denke, wir sind in Deutschland sehr privilegiert und sind mit sehr viel Sicherheit und hohen Ansprüchen aufgewachsen. Da wo ich wohne, ist es nicht immer selbstverständlich, Elektrizität oder fließendes Wasser zu haben. Die Straßen werden manchmal vom Militär patrouilliert, und als Frau ist es auch nicht immer einfach. Diese Eindrücke und Erfahrungen wertschätze ich wirklich sehr, und ich glaube, dass sie mir viel beigebracht haben.
BlachReport: Was ist Dein nächstes Ziel?
Julia Kossmann: Als nächstes geht es nach Alor, allerdings diesmal ohne Laptop – in den Urlaub. Entgegen vielen Meinungen bedeutet das Arbeiten unter Palmen nicht, dass man nicht arbeitet, und Urlaub und Entspannung sind mindestens genauso wichtig wie beim Arbeiten im Büro. Alor ist eine kleine Inselgruppe im Südosten Indonesiens, kurz vor der Grenze zu Timor-Leste. Dort werden wir ein paar Tage die Gegend erkunden und Freitauchen gehen.
BlachReport: Viel Spaß dabei.